Gedanken und Impressionen über einen Tag in Braunschweig anlässlich des AfD- Parteitages am 30.11.2019
Es steht ein großer Polzeieinsatz in Braunschweig an. Die AfD hält in der (Volkswagen)Halle ihren Bundesparteitag ab und ein bunter Protestmarsch ist Angekündigt. Linksextremistische Blokadeankündigen lassen einen unangenehmen Tag befürchten.
Als Personalrat und GdP-Gewerkschafter begleite ich die eingesetzten Beamten, als Bürger und Gewerkschafter bin ich auf Seiten der friedlichen Demonstranten. Ich fahre hin, um mir von allen Seiten ein persönlichen Bild machen zu können. Hier meine Eindrücke.
Im Zug Internetrecherche. Schon für Freitagabend soll es einen Protestmarsch der Autonomen Linken gegeben haben. Twitter checken – Aufruf: Let´s crash the Party! – Die Übersetzung sagt: „uneingeladen zu einer Party kommen“ Crash bedeutet aber auch abstürzen, zerschmettern, kollabieren, stürmen
oder zum Absturz bringen. Der Aufruf heißt, lasst uns nach Braunschweig kommen und den Bundesparteitag sabotieren. Die Bilder im Internet sprechen eine deutliche Sprache: Redical (M): „Wir kommen um zu stören“ dazu ein Bild vom Protestmarsch. “Alle zusammen gegen Schweine – NO NAZIS“. Das sind keine friedlichen Demokraten, die da zusammenkommen. Die „NIKA Kampagne“ kommentiert den Protestzug des schwarzen Blockes mit den Worten „Bullen eskalieren die vorher völlig entspannte Situation und prügeln auf Leute ein. Verpisst euch, das ist unser Tag!“
Ich finde diese Beiträge entlarvend! Es ist das gleiche unmenschliche Gedankengut, was aus diesen Bildern, der Protestform und der Sprache klingt, was auf der anderen (rechten) Seite angeblich bekämpft werden soll. Linksfaschisten – Brüder und Schwester im Geiste der Nationalsozialisten. Kein Deut besser als die Extreme Rechte.
Mit solchen Leuten will ich nichts zu tun haben! Das schreibe ich als Bürger und Mensch.
Als Polizist muss man souveräner damit umgehen und ich beruhige mich, als ich gleichfalls im Internet die offiziellen Infos der Polizei lese.
Polzeipräsident Michael Pientka ruf auf: „Friedlichkeit ist das Gebot der Stunde“.
Der Gesamteinsatzleiter – Roger Fladung schreibt: „Achten Sie bitte darauf, dass Sie gerade in diesen Momenten ganz persönlich in der Verantwortung sind, den Schutzbereich anderer Menschen zu respektieren. … Der Schutzauftrag der Polizei ist eindeutig, weil es Aufgabe der Polizei ist, dafür Sorge zu tragen, dass der (genehmigte und rechtmäßige) Parteitag der AfD stattfinden kann. – Der Schutzauftrag der Polizei ist versammlungsfreundlich, daher wird der (genehmigte und rechtmäßige) Protest gegen diesen Parteitag stattfinden und sichtbar werden.“
Siehe: Presseportal der Polizei Braunschweig
Ich prüfe die Gewerkschaftsinfos: „Demo gestern friedlich, ein paar Pyros… bis 01.00 Uhr – heute Nacht wohl auch nichts… jetzt wird schon blockiert … Infos auf „Braunschweiger Zeitung AfD“ Viele Grüße …
Ein Anruf beim Versorgungsteam. Andreas, der „Alte/Erfahre“ hat alles im Griff, viele engagierte junge Menschen der Jungen Gruppe – man will sich um die Einsatzkräfte vor Ort kümmern. Das läuft auch ohne mich. Aber meine Telefonnummer ist bekannt, Personalratsweste von Martin im Rucksack, wenn’s sein soll, wechsle ich in den Dienstmodus.
So aber weiterhin Bürger, ein Kollege und Freund steigt im Zug dazu. Ist schon schöner, nicht alleine zu fahren. Die Zugschaffner verrät gut gelaunt entspannt dass alles ruhig ist. Auch in den ersten beiden Anfahrtszügen nach Braunschweig. Vorne hatte ich ein paar bunte Gestalten mit Fahnen einsteigen sehen. Grünen Jugend. Alles gut.
Im Bahnhof reges Treiben. Menschen allerlei Couleur. Alles friedlich. Erste Polizeiwagen stehen am Rande, Verkehrsregelungposten, Mannschaftswagen.
Wir kommen zum schon begonnenen Protestzug. Ein lautes, buntes Treiben. Goldfolie von Rettungsdecken prägen das Bild. Motto: „Die Vielen – glänzen statt ausgrenzen“
Wir biegen nach einiger Zeit ab, um 12 Uhr ist Andacht im Braunschweiger Dom. Da sind warscheinlich die älteren – bestimmt nicht viele. Wir wollen trotzdem hin.
Die Glocken läuten – wir schlüpfen Punkt 12 h noch durch die Kirchentür. Die große Kirche ist proppenvolle. Kein Sitzplatz mehr. An allen Rändern stehen die Menschen. Ein Bild, was ich sonst nur vom Hauptgottesdienst am Heiligen Abend in der Kirche kenne.
Orgelspiel – Andacht – deutliche, klare Worte – sehr klare Worte. Die Kirche bezieht Position für Frieden und Toleranz – gegen Ausgrenzung und Polarisierung. „Unser Kreuz hat keine Haken!“
Was für ein Kontrast.
Ich sehe viele alte, ältere Menschen, Menschen in meinem Alter, aber auch Jugendliche. Das hier ist der moralische, der bürgerliche, der sachliche Widerstand. Draußen der bunte, laute, fröhlich Protest.
Beides ist gut. Das sind die Protestformen, die sich vom radikalen, abgeschotteten schwarzen Block der Vorabenddemo abheben.
Das ist die deutliche Mehrheit. Die, über die man reden und schreiben sollte. Die Vernünftigen.
Weiter geht es zum Kundgebungsplatz. Um 13 Uhr trifft die Zugspitze ein. Musik spielt, der Platz flutet sich mit bunten, friedlichen, engagierten Menschen. Viele Transparente und Sprüche. Gewerkschaftsfahnen, Parteifahnen. „Omas gegen rechts.“ Ernstes und satirisches.
Die ersten Redner – Sebastian Wertmüller, an sich eine gute Rede, wäre da nicht die Solidaritätserklärung mit den Blockierversuchen am Vormittag, die nicht hätte sein müssen. Es folgt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Volkswagen. Wie in der Kirche eine klare, sachliche und sehr deutliche Distanzierung von den rechtslastigen Äußerungen führender Sprecher der AfD.
Wir gehen mal rum. Ganz hinten dann ein paar schwarze Gestalten – Antifa – aber alles ruhig. Das Zugende kommt an. Plakate von „Die Partei“. Heftig.
Wir schauen mal nach rechts und links der Straße. Hier stehen abgesetzt die Kolleginnen und Kollegen. In voller Ausstattung. Stundenlang. Kein Vergnügen, aber notwendig. Und sie vermitteln Sicherheit. Wenn was passiert, dann sind sie da.
Überflüssig weil alles ruhig und freidlich? Nein, denn weil sie da sind, ist kein Platz für Gewalttäter gleich welcher Seite.
Wir machen einen Abstecher über den Weihnachtsmarkt. Hier ist das normale Samstägliche Treiben. Lebkuchenherzen – „Braunschweig zeigt Herz“.
Wir kommen zum Fritz-Bauer-Platz mit Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Fritz Bauer, geb. 16.07.1903 – gestorben am 01.07.1968. Eine Persönlichkeit!
Noch ein Anruf beim Versorgungsteam. Alles Gut. Es reicht – die Woche war lang und anstrengend. Wir haben es gut, wir fahren einfach zurück. Die Kollegen/innen rechts und links im Hintergrund müssen bleiben. Es sind nicht nur friedliche Kirchgänger und bunt-fröhlich-friedliche Protestierer in der Stadt. Sicherheit gibt es nicht ohne Schutz.
Hoffen wir, dass die vielen friedlichen und guten Protestformen nicht durch hässliche Bilder am Abend überschattet werden.
Danke an alle, die heute friedlich und ideenreich für unsere freiheitliche Demokratie auf die Straße gegangen sind. Danke an die Einsatzkräfte, die das beschützt haben. Danke an unser Versorgungsteam der GdP – die den Einsatzkräften zeigten, die Gewerkschaft der Polizei ist für euch da.
Ich hab meine Personalratsweste ungenutzt wieder ausgepackt. Zusammen mit Lesestoff aus der Kirche: „Wir müssen mal nach dem/n Rechten sehen!“ – Vorfahrt für Vielfalt – „Umgang mit Rechtspopulismus“ – Eine Handreichung für die Diakonie.
Text und Fotos: Ralf Hermes, 30.11.2019